Jeder Mensch hat einen Vater und eine Mutter – selbst dann, wenn diese bloß rein biologisch an unserer Zeugung beteiligt waren. Bist du gerade dabei, deine Vergangenheit aufzuarbeiten, weil du im Hier und Jetzt mit Traumata, Ängsten und den daraus entstehenden Schwierigkeiten zu tun hast, dann hast du vielleicht bereits festgestellt, dass so manches dieser Probleme aus deiner Kindheit und der Beziehung zu deinen Eltern rührt. Die Beziehung zur Mutter und welchen positiven oder negativen Einfluss sie auf die eigene Persönlichkeitsentwicklung hat(te), ist nicht umsonst eines der am häufigsten angesprochenen Themen in der Psychotherapie. Doch was ist mit dem Vater? Spielt er im Vergleich eine bloß untergeordnete Rolle? Hat er nur dann Einfluss auf uns, wenn er anwesend war? Keineswegs – auch Vaterkomplexe und Daddy Issues begleiten uns häufig und ein Leben lang. Sehen wir uns das also mal genauer an.
Vaterkomplex: Was ist das?
Der Begriff Vaterkomplex (oft auch Daddy Issues genannt) geht auf die Lehren des Psychoanalytikers Carl Gustav Jung zurück. Er spricht in seinen Werken unter anderem vom Vaterkomplex bei Frauen und nennt diesen Elektrakomplex. Laut ihm handelt es sich bei diesem Vaterkomplex um eine übermäßige Bindung von Töchtern an ihre Väter, oft begleitet von einer gleichzeitigen geschädigten Beziehung zur Mutter, also dem Quasi-Gegenteil des Ödipuskomplexes bei Männern.
Sigmund Freud, der frühere Lehrmeister und Freund Jungs, mit dem er sich in späteren Jahren jedoch zerstritt, vertritt hingegen andere Ansichten und betont, dass es kein direktes weibliches Äquivalent des Ödipuskomplexes gebe, da sich Mädchen und Frauen anders entwickeln würden, betont jedoch gleichzeitig, dass Frauen oft ein Leben lang eine starke Vaterbindung verspüren.
Auch wenn die beiden Psychologiegrößen sich hierin nie einig wurden, eines steht fest: Unsere Väter – ob an- oder abwesend, biologisch verwandt oder nicht – sind unsere ersten männlichen Bezugspersonen und prägen als solche ein Leben lang unsere Sichtweise darauf, wie Männer sind, zu sein haben, und was man von ihnen erwarten kann.
Daddy Issues und ihre unterschiedlichen Ausprägungen
Vaterkomplexe kommen in vielen Formen und hängen zudem auch stark davon ab, wie unser Vater als Person war bzw. wie er uns in jungen Jahren behandelt hat. War unser Vater fürsorglich, liebevoll, beschützend und verlässlich, dann gehen wir oft automatisch davon aus, dass dies auch auf andere Männer zutrifft – und dass Männer, die weniger positive Charakterzüge zeigen, die Ausnahme von der Regel sind. War er hingegen herrschsüchtig, aggressiv und abweisend, legt auch dies unsere Grundeinstellung gegenüber anderen Männern und natürlich auch Partnern fest, und wir gehen später eher davon aus, dass Männer generell zu diesem Verhalten neigen und sind vorsichtiger, da das Grundvertrauen zu ihnen fehlt.
Selbst wenn der Vater nicht anwesend war, werden wir unweigerlich von ihm geprägt – in diesem Fall lernen wir mitunter früh, dass auf Männer kein Verlass ist (sofern der Vater die Familie beispielsweise verlassen hat), oder wir gewöhnen uns so sehr daran, dass männliche Einflüsse in unserem Leben fehlen, dass wir auch später noch Schwierigkeiten damit haben, uns Männern so offen und intim anzuvertrauen, wie wir das etwa bei Freundinnen können.
Diese Vorurteile können uns aber nicht nur bei der Partnersuche und in Beziehungen generell zum Verhängnis werden, sondern auch in anderen Bereichen unseres Lebens, wie etwa im Berufsleben, da wir dadurch eventuell entweder zu vertrauensselig oder von Haus aus zu abblockend auf das andere Geschlecht reagieren. Sind wir in der Lage, diese Vorurteile in uns selbst zu erkennen, können wir unser Verhalten jedoch entsprechend anpassen und diesen Negativeffekten somit entgegenwirken.
Wirklich problematisch wird es, wenn der Vaterkomplex so stark ausgeprägt ist, dass wir eben nicht mehr in der Lage sind, ihn zu erkennen. In diesen Fällen suchen Frauen oft unter unterbewusst nach einer Art „Zweitvater“, der entweder Dinge ersetzt oder wiedergutmacht, die uns unser tatsächlicher Vater nie geben konnte oder mit denen er uns verletzt hat. Oder wir lassen uns auf (private wie berufliche) Beziehungen mit Männern ein, die unserem Vater sehr ähnlich sind und uns deshalb ein Gefühl der Vertrautheit vermitteln, selbst dann, wenn die Beziehung zu unserem Vater nicht gut war und wir dadurch somit in toxischen Verhältnissen landen.
Anzeichen, dass du an einem Vaterkomplex leidest
Daddy Issues werden, wie gerade schon ausgeführt, vor allem dann zum Problem, wenn wir sie nicht erkennen können – umso mehr, wenn sie uns obendrein in toxische Beziehungen und andere für uns ungünstige Verhältnisse mit männlichen Personen in unserem Umfeld treiben. Aus diesem Grund habe ich im Folgenden ein paar typische Anzeichen dafür aufgelistet, die darauf hinweisen könnten, dass du an einem mehr oder minder stark ausgeprägtem Vaterkomplex leidest. Sieh dir die Liste an und zähle, wie viele davon auf dich zutreffen – je mehr es sind, desto dringender möchte ich dir ans Herz legen, dich deinen Daddy Issues bewusst zu stellen, um diese zu lösen und dich frei für unbeeinträchtigte, glückliche Beziehungen mit Männern zu machen. Hier sind sie:
1. Du warst als Teenager selbstzerstörerisch
Mädchen mit einer schlechten Vater-Tochterbindung neigen im Teenageralter eher zu selbstzerstörerischem Verhalten als andere. Sie tendieren eher zu riskanten Verhaltensweisen wie Alkohol- und Drogenkonsum, sind anfälliger für psychische Leiden und lassen sich zudem oft viel zu schnell auf Jungs ein, die ihnen nicht guttun. Dabei werden sie von ihrer inneren Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung gedrängt und verkaufen sich für diese unter ihrem Wert oder versuchen, sie durch die falschen Mittel zu verdienen.
2. Du warst schon immer ein Papakind
Wenn es darum ging, deine Eltern um Erlaubnis für die eine oder andere Sache zu fragen, war deine erste Anlaufstelle prinzipiell dein Vater? Wenn du gute Noten nach Hause gebracht hast, war dir die Reaktion deines Vaters viel wichtiger als jene deiner Mutter, selbst wenn du wusstest, dass sie viel stolzer auf dich sein würde als er? Generell hast du immer lieber Zeit mit deinem Papa verbracht und es war dir immer viel wichtiger, was er denkt als deine Mama? Mitunter auch deshalb, weil deine Mama gar nicht anwesend war? Dann ist es wohl sicher zu sagen, dass du schon immer ein Papakind warst – und auch wenn daran allgemein absolut nichts schlecht ist, könnte es ein weiterer Hinweis darauf sein, dass du tatsächlich unter einem Vaterkomplex leidest.
3. Du datest oft ältere Männer
Findest du Beziehungen mit Männern, die älter – vielleicht sogar viel älter – als du sind interessanter als Beziehungen mit Männern, die sich in deinem Alter befinden oder sogar jünger sind als du? Dann könnte das darauf hinweisen, dass du in deinen Beziehungen in Wahrheit eine Art Vaterersatz suchst, anstatt einen tatsächlichen Partner, der mit dir auf Augenhöhe steht.
4. Deine Männer sind deinem Vater oft sehr ähnlich
Noch viel eindeutiger wird die Angelegenheit, wenn die Männer, mit denen du typischerweise Beziehungen eingehst, viele Charakterzüge, Hobbies, Interessen, Verhaltensweisen, das Aussehen und mehr mit deinem Vater teilen. Natürlich könnte dies auch daher rühren, dass du viele Hobbies und Interessen von deinem Vater übernommen und dir dann einen Partner gesucht hast, der diese einfach auch hat – handelt es sich dabei jedoch um Dinge, die du an deinem Vater eigentlich gar nicht leiden konntest, sind die Ähnlichkeiten schon beinahe unheimlich oder entdeckst du dich dabei, womöglich enttäuscht zu sein, wenn dein Mann in bestimmten Situationen nicht so reagiert, wie du das von deinem Papa gewohnt warst, liegt ein Vaterkomplex nahe.
5. Deine Männer sind das genaue Gegenteil von deinem Vater
Wie vorhin schon erwähnt, gibt es verschiedene Ausprägungen von Vaterkomplexen, und während einige davon dazu führen, dass wir nach Partnern suchen, die uns an unseren Vater erinnern, können wieder andere dafür sorgen, dass wir uns von allem, das uns an unseren Vater erinnern, abwenden – vor allem dann, wenn die Beziehung zu ihm nicht gut war. War dein Vater also beispielsweise Choleriker und wurde schnell selbst wegen Kleinigkeiten sauer, dann kann sich dies so zeigen, dass du bei Männern schon beim kleinsten Anzeichen von Wut am liebsten die Flucht ergreifen möchtest.
6. Du bist sehr eifersüchtig
So wie Frauen mit Vaterkomplex bzw. übermäßiger Vaterbindung unverhältnismäßig an ihrem Vater hängen, hängen sie später oft auch unverhältnismäßig an ihrem Partner, was sich wiederum in extremer Eifersucht zeigen kann. Ein klein wenig Eifersucht ist natürlich okay und auch vollkommen normal; fühlst du dich jedoch so gut wie jedes Mal, wenn dein Mann anderen Personen mehr Aufmerksamkeit schenkt als dir oder ohne dich Zeit mit anderen verbringen möchte, verletzt, vernachlässigt oder sogar wütend, deutet dies auf ungesund viel Eifersucht hin, womöglich ausgelöst durch einen unterbewussten Vaterkomplex.
7. Du brauchst besonders viel Aufmerksamkeit, Anerkennung und Bestätigung
Jeder Mensch wünscht es sich, gesehen, geschätzt und akzeptiert zu werden – das ist ganz normal. Hat dir dein Vater während deiner Kindheit und Teenagerzeit allerdings nie gesagt, wie stolz er auf dich ist, dich nie gelobt, dich vernachlässigt oder war er ständig viel zu kritisch bzw. nie zufrieden mit dir, kann sich ein Vaterkomplex im Erwachsenenalter auch in einem übermäßigen Drang nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Bestätigung äußern.
Ganz besonders oft suchen Frauen mit Daddy Issues diese Dinge bei ihren Partnern bzw. auch bei anderen männlichen Bezugspersonen in ihrem Leben und sind schnell verletzt, wenn sie sie dort nicht bekommen können – während Aufmerksamkeit und Anerkennung von Frauen in ihrem Umfeld ihnen viel weniger bedeutet. Auch neigen Frauen mit Vaterkomplex oft dazu, es Männern mit allen Mitteln recht machen zu wollen, selbst dann, wenn sie dadurch ihre eigenen Grenzen überschreiten. Der Grund ist wiederum der Wunsch nach Anerkennung, der auf diese Weise erkauft werden soll – im Berufsleben womöglich damit, dass man die eigene Leistung zugunsten jener männlicher Kollegen oder Mentoren runterspielt; in der Partnerschaft durch stetiges Ja-Sagen, Anpassen und Nachgeben oder sogar durch sexuelle Gefallen, die nicht in gleichem Maße erwidert werden, an denen man selbst keine Lust empfindet oder die man insgeheim abstoßend findet.
8. Du hast sexistische Vorurteile
Niemand von uns gibt gerne zu, Vorurteile zu haben – schon gar nicht, wenn es sich dabei um Vorurteile handelt, die in den Bereich der -ismen, wie beispielsweise Sexismus, fallen. Eines gilt es hierbei jedoch zu beachten: Während unsere ersten, unbewussten Emotionen und Gedanken meist aus unserer inneren Programmierung rühren und nur durch hartes, konsistentes Training geändert werden können, sind es letztendlich unsere tatsächlichen Reaktionen und Handlungen, die zu sexistischem Verhalten führen. Gerade deshalb ist es wichtig, diese ersten Impulse genauer unter die Lupe zu nehmen und darüber zu reflektieren, woher sie stammen.
Frauen mit Vaterkomplex gehen bei Männern oft automatisch von Negativerem aus als bei Frauen – oder umgekehrt, je nach Ausprägung. Frag dich deshalb mal bewusst: Würdest du dieselbe Geschichte über einen Mann bzw. eine Frau hören, die du beide nicht kennst – beispielsweise, dass jemand, der in einer anderen Abteilung arbeitet und sonst sehr ruhig und freundlich ist, bei einem Meeting plötzlich einen hysterischen Anfall bekam –, was wären deine Gedanken dazu? Würdest du bei der Frau zuerst annehmen, dass sie einen richtigen schlimmen Tag hatte und es sicher nicht so gemeint hat, während du beim Mann sofort empört wärst? Wäre es umgekehrt? Diese Vorurteile können Bände darüber sprechen, wie du Mann und Frau allgemein siehst – und wiederum Hinweise darauf geben, ob du womöglich an einem Vaterkomplex leidest.
9. Du redest dir ein, ohne Mann besser dazustehen
Hier eines vorweg: Dieser Punkt gilt natürlich nicht, wenn du auf Frauen stehst oder aromantisch bist. Fühlst du dich jedoch oft einsam, ertappst dich immer wieder dabei, vom deinem perfekten Mann zu träumen, während du reale Männer automatisch abblockst, oder willst du Gedanken daran, wie es sein könnte, mit einem Mann zusammen zu sein, gar nicht erst zulassen, spricht das eher für tiefsitzende Ängste, die durch einen Vaterkomplex ausgelöst worden sein könnten.
Vielleicht wurdest du als Kind von deinem Vater misshandelt, oder er war abwesend und du hast nie gelernt, Männer emotional an dich ranzulassen. Vielleicht ist dir aber auch einfach kein Mann gut genug, weil du stetig nach dem perfekten Mann suchst, der dich genauso bedingungslos liebt, wie das dein Vater immer getan hat.
10. Du wirst bei Vater-Tochter-Beziehungen in Geschichten leicht emotional
Vaterkomplexe entstehen nicht selten aufgrund von Traumata aus der Kindheit, und diese sitzen oft sehr tief in uns drinnen. Sehen wir Beziehungen zwischen Töchtern und Vätern, die uns an die eigene erinnern – beispielsweise in Filmen, Serien oder Büchern, die wir lesen –, kann das Ereignis als Trigger fungieren, der unsere eigenen aufgestauten Emotionen aus uns herausbrechen lässt.
Wie diese aussehen, hängt wiederum davon ab, wie das Verhältnis zu deinem Vater war bzw. wie dein Vaterkomplex ausgeprägt ist: die entsprechenden Szenen und Geschichten können dich traurig, sehnsüchtig, wütend oder unglaublich glücklich machen; dich so sehr berühren, dass sie dir noch Wochen oder sogar Jahre später im Gedächtnis bleiben; dich in depressive Stimmungen versetzen, ohne dass du wirklich verstehst, warum; oder dich zu einem beinahe obsessivem Fan der Geschichte selbst oder der Charaktere und/oder Schauspieler darin machen. In jedem Fall erzeugen sie in dir eine sehr starke emotionale Reaktion, die in keinem Verhältnis zum Erlebten steht und dich vielleicht sogar selbst verwundert.
Vaterkomplex erkannt? So heilst du ihn.
Hast du dich in mehreren Punkten oben wiedererkannt und bist nun ziemlich sicher, dass du unter einem mehr oder minder stark ausgeprägten Vaterkomplex leidest? Keine Sorge, es gibt Hoffnung. Du bist nicht dazu verdammt, aufgrund deiner Familienverhältnisse und Erfahrungen in jungen Jahren dauerhaft ein unglückliches Leben zu führen. Auch ist es nicht unbedingt notwendig, das Problem mit dem richtigen Vater persönlich zu lösen. In vielen Fällen ist er dazu vielleicht emotional nicht fähig, dir fehlt das nötige Vertrauen in ihn, du hast keinen Kontakt mit ihm oder er lebt vielleicht gar nicht mehr. All das spielt für deine Heilung keine Rolle – du kannst deine Daddy Issues dennoch überkommen.
Der erste Schritt in Richtung Heilung deines Vaterkomplexes sollte es dabei immer sein, ihm für dich zu vergeben. Das bedeutet nicht, dass du alles, was vorgefallen ist, vergessen sollet. Vielmehr geht es darum, in deinem Inneren Frieden mit den Dingen zu schließen, die passiert sind – die Wunde, die dein Vater hinterlassen hat, also vernarben zu lassen. Im Folgenden habe ich hierfür auch gleich eine Übung für dich, mit der du genau dies tun kannst.
Übung: So kannst du deinem Vater vergeben
Nimm ein Foto deines Vaters, das im Idealfall aus der Zeit deiner Kindheit stammt. Wenn Du keine solches Foto besitzt, dann suche dir ein Objekt, das dir dabei hilft, ihn dir vorzustellen – so, wie er tatsächlich war, oder so, wie du ihn dir vor deinem geistigen Auge schon immer vorgestellt hast.
Betrachte das Foto/den Gegenstand und erinnere dich bewusst an deine Kindheit und alle Gefühle, die du damals in Verbindung mit deinem Vater hattest. Egal, ob die Gefühle positiv oder negativ waren, lasse sie zu.
Versetze dich nun zurück in die Position, als du noch ein kleines Mädchen warst und fokussiere dich auf alles Negative – alles, was du deinem Vater jemals vorwerfen wolltest oder was dich verletzt oder wütend gemacht hat – und sprich diese Dinge laut aus: „Ich verachte dich!“, „Du hast mich allein gelassen!“, „Du hast mich hierfür nicht gelobt!“, „Du hast mir hiermit wehgetan!“, „Du bist viel zu früh gestorben!“, …
Lass dir dafür so viel Zeit, wie du brauchst, und wiederhole Dinge ruhig auch, wenn es sich richtig anfühlt. Wirfst alles ab, das dich über die Jahre hinweg belastet hat. Vergiss auch nicht: Du sagst ihm diese Sachen nicht ins Gesicht, also verletzt du ihn auch nicht damit. Lass all deinen Schmerz und deine Wut raus! Du darfst wütend sein, weinen, dich schämen – alles ist erlaubt.
Im Anschluss, sobald du dazu bereit bist, schaue erneut auf das Foto deines Vaters oder das Objekt, das dich an ihn erinnert – und nun erinnere dich an alles Positive, an all die schönen Momente, die du mit ihm hattest oder all das Glück, das du dir immer mit ihm gewünscht hast. Was konnte dein Vater gut? Wofür hast Du ihn geschätzt? Welche guten Dinge haben andere über ihn erzählt? Welche positiven Eigenschaften hast du dir für ihn vorgestellt?
Versetze dich wiederum zurück in deine Kindheit und sprich auch diese Dinge alle laut aus: „Papa, ich danke dir für…“, „Ich liebe dich für…“, „Du warst immer so…“, „Ich bin sicher du hättest/wir hätten…“, … Auch wenn sich diese positiven Dinge noch nicht ganz ehrlich anfühlen oder du sie nicht wirklich fühlen kannst, tu es trotzdem. Diese Phase sollte in etwa so lange dauern wie die erste, aber du kannst dir auch hier wiederum so viel Zeit nehmen, wie du benötigst.
Und dann, zu guter Letzt, sage deinem Vater, dass du ihm vergibst. Auch dieser Satz muss sich noch nicht ehrlich anfühlen – sag ihn dennoch. Vergeben ist eine Entscheidung, die du mit deinem Verstand triffst – das Gefühl wird sich nach und nach einstellen. Sprich wiederum laut aus: „Ich verzeihe dir, dass du damals…“, „Du hast es nicht besser gewusst/gekonnt.“, „Was du getan hast, beeinflusst mich nicht mehr negativ.“ Du wirst spüren, dass sich durch diese Worte Frieden in dir ausbreitet. Und sollte dies aktuell doch noch nicht der Fall sein, wiederhole die Übung einfach am folgenden Tag. Du wirst sehen, schon bald wird es so weit sein.
Für einen noch größeren Effekt kannst du zusätzlich daran arbeiten, dein Selbstwertgefühl zu stärken. Lässt du dich auf beides ein, wirst in kürzester Zeit feststellen, dass Du plötzlich ganz andere Männer in deinem Leben vorfindest. Sie werden dich mit Respekt behandeln, deine Leistungen anerkennen und deine Grenzen nicht länger überschreiten, weil du das von ihnen forderst, und dein Partner wird dich liebevoll behandeln, als gleichstehend ansehen und glücklich machen, weil du gar nichts anderes zulässt. Du wirst dich für einen Mann entscheiden, der dir guttut, weil Du Neues über dich und die Männer gelernt hast und dich nicht mehr nur verzweifelt nach Liebe sehnst oder dich von deinen Traumata leiten lässt. Du wirst die Quelle des Glücks in dir selbst entdecken, und Männer lediglich dazu einladen, anstatt die Quelle in ihnen zu suchen. Ich wünsche dir alles Gute!
Und hier kannst du dich noch für mein kostenloses Selbstliebe-Webinar anmelden, damit das mit der Selbstliebe noch einfacher klappt:
FAQs – Häufig gestellte Fragen zum Thema Vaterkomplex
Als Vaterkomplex bezeichnet man im engeren Sinn eine ungesunde Bindung zum Vater, die oft aus traumatischen Ereignissen in der Kindheit stammt. Im weiteren Sinne handelt es sich dabei um sämtliche Probleme, die wir im Erwachsenenleben mit uns herumtragen, die aus der Beziehung mit dem Vater rühren.
- Du warst als Teenager selbstzerstörerisch
- Du warst schon immer ein Papakind
- Du datest oft ältere Männer
- Deine Männer sind deinem Vater oft sehr ähnlich
- Deine Männer sind das genaue Gegenteil von deinem Vater
- Du bist sehr eifersüchtig
- Du brauchst besonders viel Aufmerksamkeit, Anerkennung und Bestätigung
- Du hast sexistische Vorurteile
- Du redest dir ein, ohne Mann besser dazustehen
- Du wirst bei Geschichten, in denen es um Vater-Tochter-Beziehungen geht, leicht emotional
Der erste Schritt, um deinen Vaterkomplex aufzulösen, sollte es sein, deinem Vater für dich selbst zu vergeben, um inneren Frieden zu finden. Im Anschluss solltest du daran arbeiten, deine Selbstliebe und dein Selbstwertgefühl zu stärken, um aus schädlichen Denk- und Verhaltensmustern auszubrechen.
5 Responses
Mein Vater war ein Despot und hat mir vieles verboten. Treffen mit Freundinnen an Sonntag Nachmittagen in der Disco, ins Kino gehen usw. – war alles verboten. Er musste mir nur einen Blick zuwerfen, da wurde es mir Angst + Bange. Ich denke, daher besitze ich keinerlei Selbstwertgefühl, auch heute nicht. 😔Angeblich liebte er mich mehr als meinen Bruder, weil er meiner Mutter glich.
Viele Männer hatte ich nicht. Die, die ich hatte haben mich sehr verletzt. Der Letzte liegt gerade mal 4 Wochen zurück. Ich will endlich einen gutaussehenden, ehrlichen, großzügigen und kultivierten Mann der mich respektiert u.schätzt. 🙏 ich bin schon 54. Bei meinem letzten Freund habe ich deswegen über manche seiner Eigenheiten hinweggesehen.
Ich glaube, daß ich viel aufarbeiten muss, bevor ich Pandoras Geheimnisse einsetzen kann. 😥😥
Hallo Petra!
Ich arbeite schon länger an dem Vater-Thema.
Beim Lesen dieses Textes dachte ich du schreibst 1:1 über mich. Erst vor zwei Monaten trennte sich mein Lebensgefährte nach fast 9 Jahren Beziehung von mir…genau wegen dem Problem, welches du oben beschrieben hast.
Ich werde diese Übung auf jeden Fall machen und dein Buch habe ich auch schon begonnen zu lesen.
Danke für deine wertvollen Tipps und Inspirationen!!!!!
Danke für praktische Übung bzw Methode!
Sehr gerne!
Liebe Petra.
Durch Dich bin Ich schon extrem weiter im Leben gekommen.
Von Herzen DANKE dafür!
Könntest Du vielleicht zum Thema Vaterkomplex im Kontext mit ,Männer’/Partner’ (finden) hier Mal ein You Tube machen?
Das wäre echt super.
Liebe Grüße, Sina